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08.10.2022 | Nummer 10 | Seite 12 Netzschkauer STADTANZEIGER
Ortschronisten
Hugo Hartung ein Sohn Netzschkaus zum 120. Geburtstag
Mit der Stadt Netzschkau ist auch das Leben und Schaffen eines Teils be- Geburtshaus von Hugo Hartung
deutender Künstler verbunden. Erinnert sei an Kurt Geipel, Baldur Geipel,
Fritz Zenner, Richard Erler, Herbert Zehrer, Joachim Lautenschläger, Win- Die Stadtbibliothek Neustadt / Orla beherbergt mit der Gesamtausgabe
fried Burghardt und Klaus Trentzsch als Maler und Zeichner, aber auch Ilse Hugo Hartungs in 8 Bänden ein Kleinod.
Jahreis, Elfriede Wagner und Enno Kramer als Mundartdichter und Schrift- Obwohl Hugo Hartung in seiner Heimat fast vergessen ist, existiert in der
steller. ungarischen Stadt Neumarkt an der Teist eine Bronzebüste zu seiner Erin-
In unserer Zeit so gut wie vergessen, scheinen nerung.
Leben und Wirken von Hugo Hartung.
Dieser erblickte am 19. September 1902 in Am 2. Mai 1972 starb Hugo Hartung in München, ohne das Erscheinen
Netzschkau, Mylauer Straße 26 das Licht der seines letzten Werkes „Wir Meisegeier“ zu erleben.
Welt. Sein Geburtshaus stand bis 1933 auf
dem Gelände der ehemaligen Gasanstalt und
heutigen Calpam-Tankstelle.
1909 zog seine Familie nach Neustadt/Orla
um, wo sein Vater die Leitung des dortigen Hugo Hartung
Gaswerkes übernahm. Bereits mit neun Jah-
ren unternahm H. Hartung erste literarische Gehversuche. Nach Besuch
des Realgymnasiums in Weimar fand er Begeisterung am Theater, Laien-
spiel und Literatur.
1922 absolvierte er ein Studium für Theater- und Filmwissenschaft in Leip-
zig, welches er in München und Wien fortsetzte. Ein Gedicht in den „Flie-
genden Blättern“ brachte ihm 5,00 M Honorar ein. Zum Dr. phil. Hugo
Hartung promovierte er 1928. An der Bayrischen Landesbühne erhält er
ein Engagement als Dramaturg und Schauspieler. Er war Mitarbeiter beim
„Simplizissimus“, einer gesellschaftskritischen Wochenzeitschrift.
1933 endet seine Tätigkeit beim Münchner Sender aus politischen Grün- Falk Naumann
den. Zusammen mit seiner Ehefrau Sigyn und Tochter Susi zieht er nach
Oldenburg um, wo 1938 sein Sohn Klaus geboren wurde. Dort war er als Neuer Heimatkalender 2023
Dramaturg am Theater beschäftigt.
Der Heimatkalender 2023 für Reichenbach und Umgebung erschien
An den Bühnen Breslaus übernahm er 1940 die Tätigkeit als Dramaturg. in seiner 56. Auflage. An der Herausgabe beteiligten sich 28 Auto-
Nebenbei bemühte er sich um die Lazarettbetreuung von Verwundeten, ren. Er umfasst 188 Seiten mit 37 Textbeiträgen.
zusammen mit Künstlerkollegen. Nach Schließung des Theaters 1944
wurde er zur Luftwaffe eingezogen und ging in Kriegsgefangenschaft. So findet man interessante Aussagen, teils mit Bildern untersetzt,
1945 flieht seine Familie und siedelt sich in Neustadt/Orla an. über: Geschichte der „Massi“ Reichenbach, Netzschkauer Postge-
H. Hartung folgt seiner Familie nach seiner Entlassung aus der Gefangen- schichte, Bergbau der Region Lengenfeld, Geschichte von Schloss
schaft. Bis 1947 entsteht sein Roman „Ewigkeit“ sowie sein Umzug nach Friesen, Baumschönheiten im Greizer Schloss Park, Bierbrauerei in
Potsdam. Mylau, Ringwallanlage in Hauptmannsgrün, 175 Jahre höhere Textil-
Von hier aus bereitet er seine spätere Existenz im Westen vor. Er schrieb fachschule Reichenbach, „Kartoffelkäferabwehrdienst“, Rallye-
unter Pseudonym für westliche Zeitungen und Rundfunksender. Meisterschaft mit Rudolf Wolf sowie einer Vielzahl von Mundartbei-
1950 erscheint die erste Fassung der „Piroschka“. trägen und Humor.
Über seine traumatischen Kriegserlebnisse berichtet H. Hartung u. a. in
seinen Werken „Der Himmel war unten“ und der „Deserteur“. Mit seiner
Übersiedlung 1950 nach Westberlin, begannen für ihn wieder schaffens-
reiche Jahre. Zahlreiche Romane, Hörspiele, Erzählungen fanden Aner-
kennung und führten zu seiner Berufung in die Akademie der Künste in
Berlin.
Zu seinen filmischen Welterfolgen zählen die Romane „Wir Wunderkin- Der Heimatkalender 2023 ist für 6,– Euro u. a. zu erwerben bei den C
der“ (1957), „Ein Prosit auf die Unsterblichkeit“ (1960) und besonders Buchhandlungen in Reichenbach, Greiz, Treuen, einigen Ladenge- M
„Ich denke oft an Piroschka“, welche in mehrere Sprachen übersetzt wur- schäften in Lengenfeld, Neumark und Mylau. In Netzschkau vertrei- Y
den. ben die Geschäfte Optiker Schneider, GEG Göltzschtal, Kuhberg- K
baude, Foto Orzschig und die Bäcker Verkaufsstelle in Reimersgrün
In seiner Münchner Schaffenszeit entstanden seine heiter – satirischen Ro- den Heimatkalender 2023.
mane „König Bogumil“ und „Timpe gegen alle“ sowie die Erzählbände
„Die glitzernde Marietta“, „Keine Nachtigallen im Ölbaumwald“ und der
Roman „Die stillen Abenteuer“.