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Netzschkauer STADTANZEIGER                                                        08.10.2022 | Nummer 10 | Seite 5

Appell der sächsischen Städte, Gemeinden und Landkreise zur Energiekrise

Wir sächsischen Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte stehen in der Verantwortung für unsere Kommunen, unsere Einwohner und unsere
ansässigen Unternehmen. Mit größter Sorge blicken wir auf die unsichere Versorgungslage und die enormen Preissteigerungen im Energiebereich sowie
die allgemeine Inflation. Viele Privathaushalte mit kleinen und mittleren Einkommen sowie viele Unternehmen aller Branchen und Größen nähern sich
einer existenzbedrohenden Situation. Weite Teile der Gesellschaft blicken in eine unsichere Zukunft. Angesichts der dramatischen Entwicklungen und in
Sorge um den sozialen Frieden in unserem Land wenden wir uns mit dem folgenden Appell an die Bundespolitik und an die Landespolitik:

    1. Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist Ur-          larthermie, der Biogasverwertung, der Geothermie und der industriel-
         sache millionenfachen Leids in der Ukraine, Ausgangspunkt einer bis-         len Abwärme verstärkt zu nutzen.
         her ungeahnten Energiekrise in Europa und einer Nahrungsmittelver-
         knappung in Afrika und Asien. Vom ersten Tag des Überfalls standen       4. Energie muss bezahlbar bleiben. Deshalb fordern wir für einen abseh-
         die sächsischen Kommunen in beispielhafter Weise an der Seite der            baren Zeitraum eine Gas und Strompreispreisobergrenze für alle Ver-
         Ukraine und leisteten Hilfe und Unterstützung.                               brauchergruppen. Diese würde für eine Beruhigung des Marktes sor-
         Auch in schier aussichtslos erscheinenden Situationen sollte jedoch          gen, die Kostensteigerungen für Bürger und Wirtschaft auf ein erträg-
         der Weg der Diplomatie nicht verlassen werden. Die Bundesrepublik            liches Maß dämpfen und gleichzeitig ungerechtfertigte Gewinnsprün-
         muss sich für Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland ein-           ge u. a. durch die Entkoppelung von Gas und Strompreisen (Effekt
         setzen. Frieden in Europa muss stetiges Ziel deutscher Außenpolitik          der Merit Order) begrenzen.
         sein. Durch den Krieg ist mit langfristigen wirtschaftlichen und sozia-
         len Schäden in ganz Europa zu rechnen, deren Ausmaße mit der                 Staatliche Abgaben auf Strom sowie Benzin und Diesel sind auf das
         Kriegsdauer zunehmen. Die Sanktionen müssen von dem Grundsatz                europäische Minimum abzusenken.
         getragen sein, dass deren negative Wirkung auf die Länder der west-
         lichen Gemeinschaft geringer sein muss als die Wirkungen gegen           5. Notwendig ist ein Konzept zur Unterstützung und Entlastung der
         Russland.                                                                    Wirtschaft, einschließlich der kommunalen Unternehmen und Stadt-
                                                                                      werke. Es müssen die notwendigen Instrumente vorgehalten werden,
    2. Es muss ein umfassendes Konzept auf Bundesebene zur Bewältigung                um kurzzeitige wirtschaftliche Verwerfungen überbrücken zu kön-
         der Krisensituation geschaffen werden, welches die Wirtschaft und            nen. Änderungen am Insolvenzrecht wie z. B. ein Insolvenzmoratori-
         Bevölkerung insgesamt im Blick hat. Die derzeit stattfindenden errati-       um und staatliche Bürgschaften auch für kommunale Unternehmen
         schen Aktionen zur Abfederung einzelner Gruppen von Betroffenen              sind hier geeignete Mittel.
         können das eigentliche Problem nicht lösen, denn dies ist ein Gesamt-
         gesellschaftliches. Ein Herausgreifen einzelner Gruppen von Betroffe-    6. Wir verstehen all diejenigen, die um die Zukunft ihrer Familien, ihrer
         nen zieht unweigerlich weitere Ungerechtigkeiten nach sich.                  Unternehmen und unserer Gesellschaft sorgen. Von Bund und Land
         Stattdessen sollten staatliche Maßnahmen dort ansetzen, wo das Pro-          erwarten wir eine transparente Kommunikation zur aktuellen Lage
         blem entsteht und effektiv beseitigt werden kann (z. B. bei Marktme-         und den kurz und mittelfristigen Entwicklungen. Die Menschen müs-
         chanismen oder bei den Gasimporteuren).                                      sen offen darauf eingestellt werden, was sie erwartet und mit welcher
                                                                                      Hilfe sie vom Staat rechnen können.
    3. Wir teilen das Unverständnis der Bevölkerung darüber, dass einerseits
         von Bürgern und Wirtschaft ein hoher, teilweise existenzgefährdender     7. Wir Kommunen sind uns unserer Verantwortung bewusst, auch in
         Preis abverlangt wird und gleichzeitig von der Politik nicht alle Mög-       dieser schwierigen und allseits belastenden Situation den gesellschaft-
         lichkeiten ausgeschöpft werden, das Angebot an Energie zu erhöhen.           lichen Zusammenhalt und das Funktionieren des Gemeinwesens vor
         Alle Energieträger müssen herangezogen werden, um diese tiefe Krise          Ort zu organisieren. Dieser Verantwortung wollen und werden wir
         zu bewältigen. Dazu zählt, so lange es technisch möglich ist, beste-         uns stellen. Um dies jedoch kraftvoll leisten zu können bedarf es einer
         hende Kraftwerkskapazitäten in den Bereichen Kernkraft und Kohle             flankierenden Anpassung des landesrechtlichen Handlungsrahmens
         beizubehalten.                                                               sowie angesichts der drohenden massiven kommunalen Zusatzbelas-
                                                                                      tungen (Energie und Sozialkosten sowie massive Steuerausfälle) einer
         Wir fordern eine verbindliche Aussage zur Laufzeit der Kohlekraftwer-        finanziellen Unterstützung.
         ke im Freistaat Sachsen, um der durch den Koalitionsvertrag auf Bun-
         desebene entstandenen Verunsicherung entgegenzuwirken. Es muss           8. Auf Landesebene ist ebenfalls ein Krisenbewältigungskonzept erfor-
         an den Vereinbarungen des Kohlekompromisses festgehalten wer-                derlich, das mit den beiden kommunalen Landesverbänden abzustim-
         den.                                                                         men ist. Dieses Konzept muss sich u. a. mit möglichen Versorgungs-
                                                                                      ausfällen bei Gas und Strom, mit der Erhaltung kritischer Infrastruktur
C Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Bereich der Strom und                       und mit dem Schutz vulnerabler Gruppen beschäftigen. Erforderlich
                                                                                      ist ferner die Koordination durch die oberste Katastrophenschutzbe-
M                                                                                     hörde.

Y Wärmeerzeugung ist zu beschleunigen. Insbesondere sind die Mög-

K

         lichkeiten für die Bereitstellung von Wärme aus den Sektoren der So-
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