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13.01.2024 | Nummer 12 | Seite 2 Netzschkauer STADTANZEIGER
Aus dem Rathaus
Grußwort zum Jahreswechsel 2023/2024
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
laut Mythos wurde in der Antike der Überbringer schlechter Nachrichten Mir fehlt derzeit die Aufmerksamkeitslenkung auf das Positive. Viele von
hart bestraft. Heute allerdings erleben wir in unserer mediendominierten uns erleben dies im täglichen Umgang mit anderen Menschen und stim-
Gesellschaft eher das krasse Gegenteil. Den Warnern wird aus meiner Sicht men bisweilen selbst in dieses kollektive Jammern ein. Ob Heizungsgesetz,
unkritisch zu viel Applaus gespendet und eine zu hohe Aufmerksamkeit überbordende Bürokratie oder Flüchtlingskrisen – alles scheint hierfür stets
geschenkt. Regelmäßig weisen sie im Netz und über andere Kanäle auf willkommen. Ich frage mich manchmal, was die Menschen dazu motiviert,
schlimmste katastrophale Entwicklungen hin. Das unentwegte Warnen vor an nichts und niemandem ein gutes Haar zu lassen. Sie verlieren dabei
dem Unheilvollsten halte ich persönlich für kontraproduktiv. gleichzeitig den Blick für das, was gut und richtig ist. Ich denke da an unse-
Wir möchten in Netzschkau einen anderen Weg beschreiten. Als Gestalter re gesellschaftlichen Errungenschaften, die es mehr denn je zu würdigen
vor Ort möchte ich Optimismus verbreiten und damit Energien für sinnvolle und zu schützen gilt.
und notwendige Projekte freisetzen und das hoffentlich mit Ihrer Unter- So manche regen sich jedoch mit Hingabe darüber auf, wenn eine Straße
stützung und Ihrer konstruktiven Teilnahme. Wenn wir auf die Liste der gesperrt wird, ein Amt nicht gleich erreichbar ist, Kosten oder Zeitplan bei
Vorhaben schauen, die wir im Jahr 2023 gestartet, weitergeführt oder voll- einem staatlichen Großprojekt sich nicht wie geplant entwickeln. All dies
endet haben, erfüllt mich das mit großem Stolz. Ein herausragendes Ereig- verstellt den Blick auf das Wesentliche und gefährdet den für die Wahrung
nis war die 150-Jahrfeier unserer Freiwilligen Feuerwehr in Netzschkau mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung so wichtigen Zusam-
der Indienststellung des neuen Feuerwehrfahrzeuges HLF 20, an das Sie menhalt. Diese Grundordnung ist und bleibt der einzige Garant für unser
sich alle sicher mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht erinnern Leben in Freiheit – das muss jeder und jedem in diesem Land klar sein. Um
können. Ein weiteres erfolgreiches Projekt war der grundhafte Ausbau der nicht missverstanden zu werden: Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert
Schulstraße. Dabei wurden nicht nur zwei neue Bushaltestellen und die werden könnte, auch bei uns in Netzschkau. Auch ich mache nicht immer
Straße gebaut, sondern auch eine neue Straßenbeleuchtung installiert und alles richtig und auch mir ist manches zu unübersichtlich, aber gemeinsam
neue Fußwege hergestellt. In diesem Zuge hat die evangelische Kirche haben wir bisher immer einen guten Weg gefunden.
Parkplätze um das Kirchgebäude herum angelegt. Der US-amerikanische Unternehmer Ken Blanchard schrieb einmal: „Kei-
Natürlich kann ich nicht leugnen: Die vergangenen Jahre waren stark von ner von uns ist so klug wie wir alle.“ Mir ist es daher sehr wichtig, immer
der Coronapandemie geprägt. Die Nachwirkungen beschäftigen uns noch wieder den Wert des Gemeinschaftsgeistes zu betonen. Wir kommen nur
heute. mit konstruktiver Zusammenarbeit zu den besten Ergebnissen für
Inzwischen sind zahlreiche neue Krisen dazugekommen. Das Jahr 2023 hat Netzschkau. Eine Voraussetzung dafür ist eine ausgeprägte Kompromiss-
uns auf vielen Ebenen herausgefordert: Krieg in der Ukraine und Israel, bereitschaft, ohne geht es nicht. Dies gilt ganz besonders für das Thema
steigende Energiekosten oder erhöhte Zinsen für Kredite. Auch die Bau- Flüchtlinge. Gemeinsam sollten wir uns auf eine Quote einigen, wie viele
kosten werden wohl weiter nach oben klettern. Die Babyboomer gehen in Menschen aus anderen Ländern in unserer Nachbarschaft leben können,
Scharen in Rente und das hat gravierende Auswirkungen auf den öffentli- ohne dass die Qualität unserer Lebensgemeinschaft aus dem Gleichge-
chen Dienst. Es fehlen vor allem Pflegekräfte, Kinderbetreuer, Lehrer und wicht gerät. Eine gelungene Integration sollte im Interesse aller realistisch
Polizisten. Die Liste ließe sich noch verlängern. umsetzbar sein.
Bei ausgewählten Projekten profitieren wir auch von der interkommunalen Die Frage, ob wir bei den politischen Themen, die uns bewegen, die richti-
Zusammenarbeit und von der Vernetzung mit Nachbargemeinden, wie gen Prioritäten setzen und praktikable Wege finden, beschäftigt mich sehr.
zum Beispiel bei der Einstellung eines Energiemanagers, was wir mit Elster- Denn zu viele Menschen, ob in Politik, Ministerien, Verwaltungen, aber
berg und Neumark zusammen realisiert haben. Ein wichtiger Schritt in auch in unserer Gesellschaft, denken nicht an das große Ganze. Sie blicken
puncto Göltzschtalbrücke war die Gründung des Förderverein Göltzschtal- auf ihr mutmaßliches Wählerklientel beziehungsweise auf die Absicherung
brücke e. V. und die Einstellung einer Tourismusmanagerin gemeinsam mit der eigenen Belange und Interessen. Am Beispiel Klimaschutz kann man
Reichenbach. Hier soll in diesem Jahr noch die Gründung des Zweckver- dieses „Silodenken“ gut erkennen: Die wenigsten werden bestreiten, dass
bandes folgen. wir wegmüssen von Öl, Gas und Kohle, hin zu Wind- und Solarkraft. Wir
Auch unsere Innenstadt wandelt sich in kleinen Schritten positiv. So ist es müssen mit aller Macht den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben –
uns wiederholt gelungen eine Wohnhausbrache auf der Fritz-Reuther-Stra- das hat für den Erhalt unserer Welt und damit unserer Lebensgrundlagen,
ße mit Hilfe von Fördermitteln abzubrechen. zweifellos oberste Priorität.
Die Planung für das neue Wohnbaugebiet „Am Schloss“ wird genauso Dem Bau von Wind- oder Solaranlagen stehen häufig ausgerechnet Um-
fortgesetzt wie die Digitalisierung unserer Oberschule. Die Gestaltungsvor- welt- und Naturschutzrechte entgegen und nicht selten Eigeninteressen.
schläge für das Gelände rings ums Rathaus werden wir weiter diskutieren Ein Paradoxon, das an das 1597 gedruckte Buch über die „Schildbürger“
und finalisieren und für den Bau des Parkplatzes an der Robert-Wilke-Stra- erinnert. Dass viele Menschen hierbei den Überblick verlieren und „ab-
ße alles unternehmen, um die notwendigen Fördermittel aufzutreiben. In schalten“, weil sie sich nicht um die politischen und rechtlichen Details
der Schlossstraße wird eine weitere Brache beseitigt. kümmern können oder wollen, ist ebenso nachvollziehbar wie kritisch für
Bei all dem Positiven: Eine Entwicklung betrachte ich allerdings mit großer unsere Gemeinschaft. Bei allem Unmut über „den Staat und seine Regeln“
Sorge. Wir können nicht die Augen davor verschließen: Umfragen zeigen können die Antworten auf so komplexe Fragen keine einfachen sein. So
eine Vertrauenskrise in die Politik von bisher unbekanntem Ausmaß. Leider brachte es mal Søren Kierkegaard zum Ausdruck: „Hoffnung ist eine Lei-
stoßen auch wir immer häufiger auf Unverständnis und Missmut gegen- denschaft für das Mögliche.“ Das spricht mir aus dem Herzen, denn ich he-
über den staatlichen Institutionen. Die Folge ist die Resignation von Bürge- ge große Hoffnung und Zuversicht, dass wir gemeinsam eine tragfähige
rinnen und Bürgern. Hier müssen wir unbedingt mit vertrauensbildenden und nachhaltige, lebenswerte und freudige Zukunft in Netzschkau gestal-
Maßnahmen gegensteuern. Dazu zählen eine transparente Kommunikati- ten werden. Dafür trete ich zusammen mit meinem Team leidenschaftlich
on und gute Erreichbarkeit, öffentliche Sitzungen und Sprechstundenan- jeden Tag aufs Neue ein. Mein besonderer Dank gilt hier allen meinen Kol-
gebote sowie Bürgerbefragungen. leginnen und Kollegen sowie den beteiligten Gremien und Projektteams.